Die Geschichte des Gin – eine spirituöse Reise

Gin – das ist doch dieser Schnaps, den jetzt jeder trinkt und den man sonst nur beim Opa vorsichtig schnuppernd und naserümpfend abgelehnt hat? Ganz genau! Gin hat Hochkonjunktur in den Bars und Kneipen, darf heute in keinem Barschrank und auf keiner Party fehlen. Das Lebenswasser der englischen Königin hat Einzug gehalten in den Gläsern des Pöbels, nimmt mehr und mehr Platz in den Supermarkt-Regalen und auf den Karten der kleinsten Cocktail-Bars ein. Wie kommt es, dass selbst wir Deutschen, die wir doch lieber Obstbrand und Liköre trinken, dem Gin verfallen sind? Woher kommt der Gin, wer hat den Gin erfunden und wie kam er von England aufs europäische Festland? Fragen über Fragen, die wir mit einem Blick in die Geschichte des Gin beantworten wollen. Und ihr werdet staunen, der Gin kommt nämlich gar nicht aus England, sondern hat sein Zuhause schon immer auf dem europäischen Festland gehabt. Auf geht es, kommt mit auf eine Reise durch die Zeit und entdeckt den Weg des Gin in unsere Gläser.

Die Ursprünge des Gin

Das Verfahren der Destillation kam aus dem arabischen Raum. Mit christlichen Mönchen fand das Wissen um das Brennen von Alkohol dann auch nach Europa. Doch man trank das Destillat nicht, sondern verwendete die verschiedensten alkoholischen Kräutertinkturen als Medizin. Vielen Kräutern wurden heilende Eigenschaften zugesprochen, was ja nicht unbedingt falsch ist, Auch die Wacholderbeere, die der hauptsächliche Bestandteil von Gin ist, sollte vor Krankheiten schützen und diese heilen. Selbst in Zeiten der großen Pest wurden Wacholdertinkturen verwendet, um den schwarzen Tod zu bekämpfen. So beginnt also die Geschichte des Gin genauso wie die vieler Alkoholika, als eine Geschichte der Medizin.

Von der Medizin zum Genever

Wie kam es dann, dass man das Wacholderdestillat dann auch als Getränk, selbst wenn man keine Krankheit hatte, entdeckte? Ein Name, der immer wieder mit der Erfindung des Gin in Verbindung gebracht wird, ist der deutsche Arzt Franciscus Sylvius, der in der Mitte des 17., Jahrhunderts lebte. Sein eigentlicher, aber in dieser Zeit für einen Arzt viel zu profaner Name war Franz de le Boe. Doch, wer jetzt denkt, er habe den Erfinder des Gin in Deutschland gefunden, der irrt. Die Wiege des Gin liegt weiter östlich, nämlich in den Niederlanden. Der Name des Professors, welcher ein Getränk zur Förderung des Harndrangs entwickelte, klingt aber auch zu ähnlich dem des deutschen Arztes. Sylvius die Bouve war es, der bereits im 16. Jahrhundert dieses Gebräu verabreichte. Und er gab dem Ganzen auch einen Namen: Genvever hieß der wohltuende Trank. Er leitete den Namen wahrscheinlich vom französischen Genièvre ab, was Wacholder heißt.

Ein Schelm, wer nun denkt, dass der gute Franz von Sylvius wusste, und diesen Namen bewusst in seinen „Künstlernamen“ integrierte. Und wahrlich, es gibt einen Schnittpunkt im Leben der beiden Männer. Professor Sylvius gründete im Jahr 1575 die Universität im niederländischen Leiden, an der fast ein Jahrhundert später, von 1658 bis 1672 unser Dr. Franciscus Sylvius tätig war. Doch beide waren es nicht, die den Genever als Schnaps unter die Leute brachten. Dafür war Lucas Bols verantwortlich. Er gründete im Jahr 1575, als unser Erfinder des Gin mit seiner Universität beschäftigt war, seine erste Brennerei. Sie stand in Amsterdam und genau hier brannte Bols den Wacholderschnaps, den Sylvius de Bouve komponierte. Nach und nach verlor das Wacholderdestillat seine Bedeutung als Medizin, gewann aber immer mehr Freunde, die den Genever einfach so genossen. Der Grundstein für den Siegeszug des Genever war gelegt.

Wie der Gin nach England kam

Übrigens, wollen wir, ehe wir den Gin nach England ziehen lassen, der Vollständigkeit halber noch erwähnen, dass der Genever auch in deutschen Landen gern genossen wurde. Vor allem in Ostfriesland trinkt man noch heute nicht nur gern Tee, sondern auch Gin, den man ebenso wie die holländischen Erfinder Genever nennt. Doch viel weiter ist der Wacholderschnaps zunächst auf dem Festland nicht gekommen. Für die weitere Verbreitung und seine Reise in das vereinigte Königreich war ein Krieg notwendig, freilich nicht entfacht um den Gin, aber es waren Soldaten, die den Gin über den Ozean auf die Insel brachten.

Die Namensgebung und die Reise übers Meer waren beim Gin ähnlich wie beim Whisky, der durch Soldaten nach Amerika kam. Im Holländisch-Spanischen Krieg in der Mitte des 17. Jahrhunderts verbündete sich Großbritannien mit den Niederlanden und entsandte Soldaten. Die entdeckten natürlich jede Kneipe im Lande und somit auch den Genever. Sie brachten den Schnaps mit nach Hause und aus dem englischen Wortlaut Dschinever wurde das Kürzel Gin.

Als Wilhelm III. von Oranien-Nassau 1689 den englischen Thron bestieg, war der Gin endgültig in England angekommen. Der König brachte nicht nur den Wacholderbrand an den königlichen Hof, sondern machte auch dessen Produktion steuerfrei. Französische Branntweine, welche die Engländer bis dahin sehr gern genossen, wurden allerdings mit sehr hohen Steuern belegt. In Schottland, welches Wilhelm ebenfalls als König unter sich hatte, führte dies zum Aufstieg des Whiskys, in England zum Siegeszug des Gin. Schon 1690 gab es einen Erlass, nach dem ein wahrer Gin nur aus englischem Getreide produziert werden durfte. Aus dem niederländischen Genever wurde das englische Nationalgetränk Gin. Als dann auch noch Bier mit hohen Steuern belegt wurde, war es nahezu unumgänglich, dass die Bevölkerung Englands mehr und mehr auf Gin umstieg.

Die Engländer im Gin-Wahn

Es kam, was kommen musste. Nicht nur fast jeder brannte Gin, sondern vor allem trank die britische Bevölkerung den Wacholderschnaps. In Unmengen rann er die durstigen, und auch die nicht durstigen Kehlen hinunter, und versetzte die Engländer in einen wahren Gin-Wahn. Der Gin-Craze war der traurige Höhepunkt der Geschichte des Gin, Immer und überall verfügbar, ohne besondere Regeln und Steuern überflutete der Gin das Land. Nicht nur in rauen Mengen, sondern vor allem auch in einer rauen, ja man kann sagen, fiesen Qualität. Terpentin und Schwefelsäure zum Strecken war nicht selten, Rosenwasser und Zucker sorgten dafür, den immer schlimmer werdenden Geschmack zu übertünchen. Im Jahr 1733 ist sage und schreibe ein Jahresverbrauch an Gin von 47 Millionen Litern beurkundet. Das sind nur die offiziellen Zahlen. Dass England immer tiefer in den Alkoholismus rutschte, sah man an zunehmender Enthemmung. Prostitution, Verbrechen, einer hohen Sterberate bei sinkenden Geburten, betrunken herumirrenden verwahrloste Briten in den Straßen. Der britische Maler William Hoghart verewigte diese verlotterte Gesellschaft in seinem Gemälde „Gin Lane“. Ach herrje, was hatten die Holländer da nur angerichtet? So wurde aus der einstigen Medizin ein Getränk, durch welches viele Engländer Medizin brauchten – oder Abstinenz.

Gesetze gegen schlechten Gin und zu viel Konsum

Klar war, wollte die stolze britische Nation sich nicht in völlige Verwahrlosung begeben, sich gar selbst mit dem Feuerwasser ausrotten, musste dieses dunkle Kapitel in der Geschichte des Gin ein Ende haben. Die Regierung handelte und beschloss Gesetze zur Eindämmung des Alkoholkonsums. Acht verschiedene Gin-Gesetze wurden in den Jahren 1729 bis 1751 auf den Weg gebracht, die Gin-Acts. Die Produktion von Gin war nur noch mit Lizenz erlaubt, die Ausschankmengen und -zeiten stark reglementiert. Zunächst brachte das nichts, denn die Briten veränderten einfach die Rezeptur und brachten den Alkohol eben einfach nicht als Gin unter die Leute. Im Jahr 1951 zog die Obrigkeit dann mit dem Tippling Act die Bandagen fester. Die Qualität wurde ein wichtiges Kriterium, minderwertiger Gin war mit hohen Strafen belegt. Die Qualität stieg, die Preise auch und die katastrophalen Getreideernten der Zeit trugen ihriges zu enorm steigenden Preisen und weniger Konsum bei.

Der Weg des Gin in die Oberschicht

Im 18. Jahrhundert begann man damit, wieder mehr Gin herzustellen. Doch dieses Mal sollte es nicht so ausarten. An der Destillationsmethode wie auch an der Rezeptur wurde gefeilt und der Gin wurde immer besser. Im 19. Jahrhundert trank man gern Old Tom Gin. Der war mit Zucker versetzt und entzückte auch die Gaumen der weiblichen Bevölkerung mit feineren Manieren. Nun gehörte er in die Kreise der Oberschicht, die mit spitzen Finger den Wacholderschnaps aus den guten Häusern aus dem Londoner Bloomsbury-Viertel und im Vorort Finsbury genossen. In Finsbury war es auch, wo man den London Dry Gin entwickelte, der unbedingt zu den Edelbränden gezählt werden muss. Mit dem billigen Fusel des unregulierten und maßlosen Gin-Experiments der Briten der vorigen Jahrhunderte hatte der neue Gin nichts mehr gemein. Wer jetzt neugierig geworden ist, was London Dry Gin eigentlich ausmacht, liest sich am besten gleich auch Was ist Gin und welche Sorten von Gin gibt es durch.

Gin Tonic – ein Longdrink erobert die Welt

Gin Tonic – wer kennt und liebt diesen Longdrink nicht? Geboren wurde das beliebte Getränk nicht in England, sondern in Indien, in der Zeit als das Land noch Kolonie von England war. Wieder einmal waren es Soldaten, die hier ihren Geschmack entfaltet haben. Sie brachten nicht nur das spezielle India Pale Ale zu weltweiter Bekanntheit, sondern auch den Gin-Tonic. Die Soldaten waren angehalten, in Indien wegen der drohenden Malaria-Gefahr Chinin zu sich zu nehmen. Schnell entdeckten sie, dass im Tonic-Water sehr viel Chinin enthalten war. Allerdings schmeckte das Tonic damals wirklich sehr bitter. Die britischen Soldaten brauchten alsbald etwas, was den Geschmack erträglicher machte. Schnell war das Richtige gefunden- der Gin. Okay, es hätte vielleicht auch ein anderes Getränk, etwas Sirup oder Honig getan, aber wenn man schon viel trinken soll, warum dann nicht gleich was Richtiges. Sie wussten ja nicht, welche Welle sie mit dem Gin-Tonic losgetreten haben. Dieser Longdrink schaffte es, ähnlich wie der Martini durch den legendären James Bond, in die Bars der gesamten Welt.

Keine Cocktailbar ohne Gin – Not macht erfinderisch

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Gin so in Mode, dass er auch in Amerika reißenden Absatz fand. Ähnlich wie beim Whisky war die USA ein starker Absatzmarkt, den man nur ungern verlieren wollte. Doch die amerikanische Prohibition um 1922 bis 1933 war der Schrecken für die britischen Inseln. Genauso wie Whisky wurde Gin während dieser Zeit über die Grenzen von Kanada geschleust. Damit war aber ein großes Risiko verbunden, welches nicht alle auf sich nehmen wollten. Dem irischen Whisky-Markt hat diese Zeit fast den Todesstoß verpasst. Doch die Not macht erfinderisch. Vor allem der Gin-Tonic, den die spitzfindigen britischen Soldaten erfunden haben, wurde in den florierenden Bars ausgeschenkt. Gin trinken, ohne Gin zu trinken war das Motto, welches mehr und mehr Cocktails, Longdrinks und Short-Drinks mit Gin entstehen ließ. Bis heute gibt es keine Bar, in der man nicht einen Gin Fizz, einen Martini, eine White Lady oder eine Gimlet bestellen kann.

Gin heute – Die Gin-Craft-Bewegung

Nachdem die beiden Weltkriege und die amerikanische Prohibition überwunden waren, ging es noch ein paar Jahre bergauf mit dem Gin. Doch bald schon wurde der elegant geschüttelte Dry Martini von James Bond durch andere Spirituosen abgelöst. Die Welt trank ab den 1980er Jahren Wodka und Rum. Etwas später sollte sich der Whisky dazugesellen, der aus seinem Schattendasein emporkam. Gin schien fast vergessen, und doch ist er heute wieder da.

Die Rückkehr des Gin sieht man nicht nur in den Bars und Kneipen, den übervollen Supermarktregalen und in den Händen der jungen feiernden Menschen in den Clubs. Man sieht sie auch in den Brennereien der Welt. Auch in Deutschland, wo man sich aufs Obstbrennen bestens versteht, wird mehr und mehr Gin destilliert. Natürlich gilt nach wie vor England als Spitzenreiter unter den Gin-Produzenten, aber der Rest der Welt zieht nach. In kleinen Manufakturen wird experimentiert und Botanicals zum Wacholder getan, was das Zeug hält. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Neue Gin-Sorten sind entstanden und die Craft-Kultur boomt, nicht nur beim Whisky und Bier, sondern auch beim Gin. Der gute alte Genever ist zurück. Frischer, vielfältiger und exklusiver denn je! Neue Trends wie Flavoured Gin oder Aged Gin gesellen sich zu traditionellen Bränden wie dem London Dry Gin oder dem ursprünglichen Genever aus Belgien und den Niederlanden. Eine kunterbunte Welt des Gin, die es zu entdecken gilt. Fangt gleich damit an, denn wir haben da was für euch vorbereitet.

Cheers!